DER BOTANISCHE GARTEN VON PADUA
WELTKULTURERBE
Jahr 1786: In der ruhigen Atmosphäre des Botanischen Gartens in Padua betrachtet der deutsche Dichter Goethe eine Zwergpalme, die vor zwei Jahrhunderten eingepflanzt wurde, und stellt fest, wie die Blätter im Laufe der Zeit ihre Form geändert haben. Er hatte eine Vorstellung davon, dass sich Lebensformen im Laufe der Zeit verändern. Dies war der Beginn dessen, was wir heute als „biologische Evolution“ bezeichnen. Am 29. Juni 1545 beschloss der Senat der Republik Venedig auf Antrag der medizinischen Fakultät der Universität Padua die Einrichtung eines Hortus Simplicium für den Anbau von Heilpflanzen, den so genannten „Simples“. Luigi Squalermo, der erste Verwalter des Hortus Simplicium, setzt sich dafür ein, etwa 1.800 Pflanzenarten aus den Sammlungen, die in jenen für die Geschichte des Wissens feibrigen Jahrzehnten angelegt wurden, zu pflanzen. So entstand im Herzen der Stadt der älteste botanische Universitätsgarten der Welt, der seinen ursprünglichen Standort beibehielt und in seiner Konzeption im Wesentlichen unverändert blieb. Der Garten des Kernstücks Hortus Sphaericus wurde in Form eines Quadrats innerhalb eines Kreises angelegt. Er spiegelt das Fortbestehen des symbolischen Mikrokosmos in der Renaissance wider. Die Kühnheit des Unternehmens und das internationale Prestige der Universität führten dazu, dass der Garten von Anfang an zum Vorbild für andere ähnliche Einrichtungen in Europa wurde, von Lissabon bis Uppsala. Im Laufe der Jahrhunderte expandierte der Garten und entwickelte sich weiter, sodass er bald in der Forschung und der Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse eine wichtige Rolle einnahm.
NICHT ZU VERPASSEN
„[…] sofern ein einzelner Ort die Ehre beanspruchen kann, der Sitz der wissenschaftlichen Revolution zu sein, muss diese Auszeichnung Padua zukommen.“
Herbert Butterfield unterstreicht in The Origins of Modern Science die entscheidende Rolle der Universität Padua in der Geschichte des wissenschaftlichen Arbeitens. Als Stadt mit einer gespaltenen Seele ist Padua auch ein Ort glühender Religiosität, wovon der Kult des Heiligen Antonius zeugt.
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„Der große Platz, Prato della Valle genannt,
ist ein sehr weiter Raum, wo der
Hauptmarkt im Juni gehalten wird. […]
Ein ungeheures Oval ist ringsum mit Statuen
besetzt, alle berühmten Männer vorstellend,
welche hier gelehrt und gelernt haben. […].“
Mit diesen Worten bildete der deutsche Dichter den Prato della Valle ab, das Stadtszenario, das das Gesicht von Padua des späten 18. Jhs. verkörpert, ein Beweis dafür, wie die Stadt ihre Räume umgestaltete und dabei ihre alte Zweckbestimmung bewahrte. Im Mittelalter war dieser riesige Platz Schauplatz von Messen, Turnieren und religiösen Festen. Die von Goethe beschriebene Messe Ende Juni, die dem Heiligen Antonius gewidmet war, wird noch heute gefeiert, ebenso wie die Wochenmärkte, die auf dem Prato della Valle stattfinden. Die Umbauarbeiten begannen 1775 und ließen einen der größten Plätze Europas entstehen, der in seiner Konzeption durch das Zusammenspiel von Wasser, Stein und Vegetation in seiner elliptischen Form dominiert wird. In der Sammlung von Statuen, die seit Goethes Zeiten immer größer wurde, finden sich viele literarische Persönlichkeiten.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
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„ICH GEHE ZURÜCK IN MEINE WERKSTATT IN PADUA, WO ICH MIT VOLLEM TEMPO TELESKOPE BAUE [...] DANN SCHAUE ICH IN EINER KLAREN HERBSTNACHT AUS EINEM FENSTER IM OBERSTEN STOCKWERK MIT MEINEM INSTRUMENT IN DEN HIMMEL [...].“


LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen, um die grünen Wesen des Botanischen Garten von Padua zu erkunden.
- Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären, Johann Wolfgang von Goethe (1790). Der unstillbare Geist des „letzten universalen Menschen, der auf der Erde wandelt“, wie George Eliot es ausdrückte, erforscht auch die natürliche Welt, insbesondere die Pflanzen. In diesem Essay nimmt Goethe bestimmte Themen des Darwinschen Evolutionismus vorweg, allerdings durch die Brille des deutschen Idealismus.
- Italienische Reise, Johann Wolfgang von Goethe (1816–17). Dieser faszinierende Bericht über die Tour, die Goethe zwischen 1786 und 1788 unternahm, ist eine Reise durch Kunst, Kultur und Schönheit der italienischen Landschaften.
- The Origins of Modern Science, Herbert Butterfield (1949). In diesem Klassiker der Wissenschaftsgeschichtsschreibung verfolgt der Autor die wissenschaftliche Entwicklung Paduas und seiner Universität von den Anfängen bis zur Revolution
- La giostra dei fiori spezzati, Matteo Strukul (2014). Im winterlichen Tiefschlaf erlebt Padua einen wahren Albtraum, als Prostituierte von einem Serienmörder ermordet werden. Auch die Stadt hat ihr Monster, ihren Tötungsengel, der in der gotischen Atmosphäre des späten 19. Jhs. agiert.
- Aus Liebe zu den Pflanzen, Stefano Mancuso (2014). Im Mittelpunkt dieser Biografie der Biografien erzählt der Wissenschaftler und Populärwissenschaftler das Leben einiger der großen Entdecker des Pflanzenuniversums: Jahrhunderte voller Leidenschaft, Geniestreiche und Hingabe, von Leonardo da Vinci bis Charles Darwin, von Marcello Malpighi bis Gregor Johann Mendel, die unser Wissen über die „Pflanzennation“ völlig revolutioniert haben.
- Was ist denn da im Busch?, Renato Bruni (2017). Wenn uns ein Besuch im Botanischen Garten von Padua die Augen für den erstaunlichen Reichtum der Pflanzenwelt geöffnet hat, können wir in dieser Pflanzensafari in die Fußstapfen des Autors treten: Bruni lässt die Rolle des Laborbotanikers hinter sich und nimmt den Leser mit, um sich in einem Stadtgarten „die Hände schmutzig zu machen“.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Galileo e la prima guerra stellare, Luca Novelli (2002). Galileo Galilei wurde von Padua „adoptiert“ und machte dort einige der revolutionärsten Entdeckungen in der Geschichte der Wissenschaft.
- Tra fogli e foglie, Rossella Marcucci, Mariacristina Villani, Valentina Gottardi (2021). Es gibt keinen besseren Weg, sich der Welt der Pflanzen zu nähern, als sich mit den Konzepten, Methoden und Werkzeugen vertraut zu machen, die jeder gute Botaniker in seinem „Werkzeugkasten“ haben muss: das Herbarium. Dieses wunderschön illustrierte Buch ist eine Einführung in die Welt der Botanik, die junge Wissenschaftler durch die Wunder der Pflanzenwelt führt.

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