DIE ALTSTADT VON PIENZA
WELTKULTURERBE
Bis zum späten Mittelalter hatte sich das Schicksal dieses kleinen, im Val dʼOrcia gelegenen Dorfes noch nicht mit dem seiner Zentralfigur – einem Mann, der dessen Identität so tiefgreifend verändern und sogar dessen Namen annehmen sollte – gekreuzt. Enea Silvio Piccolomini wurde 1405 geboren und entsammte einer alten Familie aus Siena. Er war Dichter, reiste, schrieb erotische Gedichte, war außerdem der Autor der berühmten Commentarii, Priester und Politiker und verkörperte auf vielfältige Art und Weise die Dichte und die intellektuelle Leidenschaft des Humanismus. Im Jahr 1458 wurde er zum Papst gewählt und nannte sich fortan Pius II. Sein Geburtsort, Corsignano,wurde wenig später nach ihm in Anlehnung an den Papstnamen des berühmten Sohnes der Stadt Pienza genannt. Die Stadt hatte nicht nur einen neuen Namen, sondern stand insbesondere auch für die Umsetzung eines ethischen und ästhetischen Ideals, nämlich dem der geplanten Stadt. Der neue Papst beabsichtigte, die Altstadt umzugestalten und die futuristische Utopie einer rational geplanten Stadt zu verwirklichen. Hierzu beauftragte er den Architekten Bernardo Rossellino, Schüler des Leon Battista Albert. Mit der Neugestaltung des Hauptplatzes von Pienza gelang es den beiden Männern, die mittelalterliche Architektur in eine Architektur der Renaissance umzuwandeln. Damit leisteten sie einen nachhaltigen Beitrag zur Geschichte der modernen Stadtplanung.
NICHT ZU VERPASSEN
„Wer von Siena aus nach Rom fährt, kommt nach der Burg San Quirico und rechts von Radicofani an Corsignano vorbei, das oben auf dem Hügel auf der linken Seite zu sehen ist, auf der Spitze eines sanften Abhangs, drei Meilen von der Hauptstraße entfernt.“
Piccolominis Blick, der in seinem Werk Commentarii gewissermaßen aus der Vogelperspektive über die Toskana schweift, lädt dazu ein, die Umgebung Pienzas im Herzen des Val d’Orcia – ebenfalls UNESCO Welterbe – zu erkunden. Am besten besichtigt man sie in aller Ruhe und gönnt sich dabei Pausen, um die Aussicht zu genießen, das historische Erbe zu erkunden und sich dabei etwas zu entspannen.
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„Wegen der Notwendigkeit neigt sich
[die Kirche], entgegen der Gewohnheit,
von Norden her gegen Mittag.“
Um aus architektonischer Hinsicht eine ideale Stadt zu werden, musste Pienza nach Ansicht von Papst Pius II. und dessen Architekten Bernardo Rossellino dies auch in astronomischer Hinsicht sein. Besteigt man im Palazzo Comunale am 1. April um 13:20 Uhr den Turm, kann man sehen, wie die Fassade des Domes einen Schatten wirft, der perfekt in die neun Rechtecke auf dem Kirchplatz passt. Es scheint, als ob Papst Pius II., ganz so, wie es in den Commentarii zu lesen ist, ganz bewusst auf die für kirchliche Gebäude vorgeschriebene kanonische Ausrichtung – diese mussten „orientiert“, daß heißt nach Osten hin ausgerichtet sein – verzichtete, um den Dom in eine große Sonnenuhr zu verwandeln, mit der die FrühlingsTagundnachtgleiche gefeiert wird, nämlich dem das Osterfest bestimmende Datum. Der Steinring auf dem Kirchplatz ist symbolisch mit der Fensterrose verbunden: oben der Lichtring, das sehende Auge – das Gute; unten der Steinring, das nicht sehende Auge – das Böse. Das Ereignis findet heute am 1. April und nicht am 21. März statt. Grund dafür ist das Inkrafttreten des Gregorianischen Kalenders 1582, mittels dessen der Fehler der 11 Tage korrigiert wurde, die sich im Laufe der Jahrtausende aufgrund der Umlaufzeit der Erde um die Sonne angesammelt hatten, welche nicht genau 365 Tage, sondern 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden beträgt.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
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ES GAB ZWEI REIHEN VON FENSTERN, BEWUNDERNSWERT IN FORM UND BREITE, UND JEDE REIHE BESTAND AUS DREIUNDZWANZIG FENSTERN IN GLEICHEM ABSTAND VONEINANDER. AUS JEDEM DER FENSTER, [...] KONNTEN DREI PERSONEN GLEICHZEITIG HINAUSSCHAUEN [...].


LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen, um Pienza und seine Umgebung zu erkunden.
- Commentarii, Enea Silvio Piccolomini (1462–64). Das Meisterwerk von Piccolomini gilt als eines der großen „Denkmäler“ der italienischen Renaissance. Auf halbem Weg zwischen einem Roman und einem anthropologischen Text zeichnet es ein Bild der politischen und religiösen Welt des Europas des 15. Jahrhunderts, in dem die Stadt Pienza ausführlich beschrieben wird.
- Il Fosso Bianco, Miriam Focili (2019). Eines Morgens im September geht der alkoholabhängige Mechaniker Gualtiero Vanni nach Fosso Bianco, um ein heißes Bad in den Thermalbädern zu nehmen. Dort trifft er auf ein attraktives Mädchen, das allein im Wasser ist: ein blonder, blutüberströmter Engel, der sich weder an sich selbst noch an seine Vergangenheit erinnern kann. Die Ermittlungen werden für die beiden Polizistinnen, Elena und Giada, nicht leicht sein.
- Il campo di Gosto, Anna Luisa Pignatelli (2023). Dieser Roman erzählt die Geschichte von Agostino, genannt Gosto. Er ist geschieden, mit einer Tochter, die nur an Geld denkt, und ist von bösen Menschen umgeben. Abwechselnd werden die schönen Landschaften des Val dʼOrcia und die dort lebenden Menschen mit ihren dunklen Seiten beschrieben.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Il Rinascimento per gioco, Valentina Orlando, Celina Elmi (2018). Pienza und sein „Schöpfer“, Enea Silvio Piccolomini, beeinflussen den Geist der Stadt. Mit den Augen der jungen Archäologin Clara können die Kinder die in der Renaissance gelebte Neugierde nacherleben.
- Stella Bianca. La ragazza che parla ai cavalli, Mathilde Bonetti (2019). Der verhängnisvolle Funke springt beim Wohltätigkeitsfischen des Festivals von Pienza über, bei dem die junge Irin Crystal, die gerade erst in Italien angekommen ist, Stella Bianca, ein prächtiges Fohlen, gewinnt. Dies ist der erste Roman einer Serie, in der es um den Mut des gegenseitigen Vertrauens und die Stärke der Freundschaft zwischen Mensch und Tier geht.

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