DIE DOLOMITEN
WELTNATURERBE
Die Dolomiten sind ein majestätisches Gebirge, das weniger einer Aneinanderreihung von Gipfeln, sondern eher von Aussichtspunkten auf das Meer gleicht, das in ferner Vergangenheit hier seine Wellen brach. Wer durch Wälder geht und Wiesen überquert, die zu den Gipfeln der Dolomiten führen, gleicht einem Taucher ohne Wasser, der auf einem Boden läuft, welcher vor mehreren Millionen von Jahren noch tropischer Meeresgrund war. Hier gab es bunte Fische, Korallen, Leuchtanemonen und Säulen von Luftblasen. Die Dolomiten, die früher als Monti Pallidi (bleiche Berge) bezeichnet wurden, haben ein hohes Vorkommen an Fossilien und in den Seidelbast-Knospen, Leimkräutern, im Gold-Hahnenfuß und in den tausend anderen Blumen, die im Wind tanzen, erkennt man bald bunte Fischschwärme. Das Gestein dieses Gebirges unterscheidet sich von anderen Gesteinsarten: tagsüber ist es weiß, bei Sonnenuntergang nimmt es die sinnliche Farbe Rosa an und nach dem Regen funkelt das Gestein, als wäre es in Tränen ausgebrochen. Die Straßen im Tal und die Pfade auf den Anhöhen sind Verbindungswege zwischen Seen, Felsvorsprüngen, Bergkämmen, Dörfern und Städten sowie zwischen Sprachen, Dialekten und Kulturen. Im Westen sieht man bemalte Kirchen mit spitzen Glockentürmen sowie eine Vielzahl von Schlössern aus dem Mittelalter und der Zeit der Renaissance, die sich alle voneinander unterscheiden. Im Osten erheben sich Felstürme und die Natur gewinnt den Wettlauf mit dem Menschen. Würde man mit dem Schiff in diesen Meeresarmen fahren, so käme man auf der Fahrt an schönen Kunststädten, gemütlichen Tavernen und Brauereien sowie knisternden Kaminen in den Häusern vorbei, wo man, wie in einem Hafen, seine Vorräte wieder auffüllen könnte, gleichmäßig verteilt zwischen Trentino-Südtirol, Venetien und Friaul-Julisch Venetien.
NICHT ZU VERPASSEN
„Die Promenade ist zur Mittagszeit ruhig; der Wald raunt gelegentlich und man kann die großen Gipfel sehr gut sehen. Heute sind sie weiß und weiße Wolken hinterlassen hier und da Schatten: die drei Gipfel von San Nicola, der Croda die Marden, der Baston del Re und weiter rechts, von Westen nach Osten, immer noch auf demselben Grat, der Cima della Polveriera und noch weiter das Profil von Pagossa. Über all dem erheben sich Cima Ala und die Lastoni di Mezzo, die wie vier schmale Glockentürme aussehen.”
Die Beschreibungen, Orte und Namen, die Dino Buzzati in seinem Werk Die Männer von Gravetal verwendet, sind real, da die Dolomiten, das Val Canali und die Berggruppe Pale di San Martino für den Schriftsteller aus Belluno die perfekte Roman-Kulisse darstellten. Im Hinblick auf die Orte und Ereignisse seiner Romane ist das „fantastische“ Andere nicht mehr als ein Schleier vor einem Fenster, das Realität und Erfundenes trennt.
Google Maps
„Das Villnößtal liegt parallel
zum berühmten Gröden,
doch die meisten Urlauber
kennen dieses Tal nicht. Es
gibt wenig Sehenswürdigkeiten
und nur vereinzelt Skilifte.
Es ist ein Dolomitental von
außerordentlicher Schönheit,
geschützt durch die bewaldeten
Hänge und steilen Berge, die es
umgeben. Mir ist, als würden die
Kalksteinwände jegliches Gefühl
von Traurigkeit und Einsamkeit
verfliegen lassen.“
zum Mount Everest, Reinhold Messner
Hier, zwischen diesen Kalksteinwänden, begann Reinhold Messner, sich für das Bergsteigen zu begeistern. In einem kleinen Dorf am Fuße der Geislergruppe geboren – eine Gebirgsgruppe, die den Kamm zwischen dem Villnößtal und Gröden bildet – wurde Messner zu einem der größten Alpinisten unserer Zeit. Die Dolomiten sind nicht nur ein Gebirge von erhabener Schönheit, sondern sie nehmen auch in der Geschichte des Alpinismus eine wichtige Rolle ein: An ihren senkrechten Wänden konnten große Bergsteiger wie Tita Piaz, Emilio Comici, Riccardo Cassin, Cesare Maestri, Maurizio Zanolla (Manolo) und Heinz Mariacher das Klettern neu interpretieren, neue Routen eröffnen und immer größere Schwierigkeiten bewältigen.
NICHT ZU VERPASSEN
„Als ich das erste Mal diese wilde Ecke erklomm, fasziniert davon, wo die Sonne sich schlafen legte, stieß ich an den Fuß einer Wand, die zu glatt und noch zu klein war, um sie zu sehen. Ich war überwältigt von der fantastischen Welt, die mich einhüllte, hatte riesige Berge vor Augen und noch viele Träume im Rucksack; ich wusste nicht einmal, dass es sie gab. Von dort oben konnte ich sogar einen Blick auf das Meer erhaschen, das flach wie ein Teich schimmerte; rundherum verloren sich die Berge, Türme und Wolken jenseits aller Vorstellungskraft.“
So beginnt das Buch Wir waren unsterblich von Maurizio Zanolla, „Manolo“, der Bergsteiger, der an diesen Wänden Bergsteigergeschichte schrieb.
Google Maps
„In der Ferne, jenseits der Güterzüge
auf den toten Gleisen, jenseits der
Hochspannungsleitungen, jenseits
der Dächer und der Enge des
Eisacktals, liegt im Mondschein
der Rosengarten – mehr als
zwei Namen, zwei Arten, die
Natur zu erleben. Während der
Lautsprecher die ankommenden
und abfahrenden Züge ankündigt,
scheint die ferne, bleiche Präsenz
seiner Dolomitentürme eher einen
anderen Raum als eine andere Zeit
einzunehmen. Märchenhaft und
unerreichbar, von diesem Bahnhof
aus gesehen“
Eva schläft, Francesca Melandri
Sucht man eine Erklärung für Enrosadira, die
typische Rosafärbung der Dolomiten beim
Sonnenauf- und beim Sonnenuntergang,
wenn die Luft besonders klar ist, so stößt
man auf eine Legende, derzufolge es in der
Rosengartengruppe einen riesigen
Rosengarten gab, in dem König Laurin
herrschte. Er war der Herrscher eines
Zwergenvolkes, das in den Bergtiefen nach
Kristallen, Silber und Gold grub. Die Legende
erklärt auf romantische Art und Weise
ein Phänomen, das auf die Eigenschaften
des Dolomitsteins zurückzuführen ist. Das
Gestein enthält nämlich Dolomit, eine
Verbindung aus Kalziumkarbonat und
Magnesium. Diese enthält ein besonderes
Reflexionsvermögen: Treffen die Strahlen der
auf- oder untergehenden Sonne den Dolomit,
entsteht die charakteristische rosa Farbe.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
Hör dir alle Episoden anFÜR DIE JÜNGSTEN
„‚HERR, ES GIBT ZU VIEL FRIEDEN AUF DER ERDE, DIE DU GESCHAFFEN HAST, ZU VIEL STILLE, ZU VIEL RUHE, SAUBERE GEWÄSSER, SONNENSCHEIN UND REGEN, WENN ES NÖTIG IST, KLARE MEERE, DIE TIERE KOMMEN GUT MIT DEN VÖGELN AUS, DIE FISCHE KOMMEN GUT MITEINANDER AUS, DIE JAHRESZEITEN WECHSELN SICH AB, OHNE ZU MURREN, AMEISEN UND BIENEN LEBEN UND HELFEN SICH GEGENSEITIG.’ [...] DER HERR HATTE EIN LEUCHTEN IN DEN AUGEN UND, ALS HÄTTE ER SICH VON EINEM LÄSTIGEN GEDANKEN BEFREIT, SCHNIPPTE ER MIT DEN FINGERN UND RIEF AUS: ‘[...] WIR SCHAFFEN DEN MENSCHEN UND DAS PROBLEM IST GELÖST [...] EIN ZWEIBEINIGES TIER, DAS SICH FÜR INTELLIGENT HÄLT UND DIESE FRIEDLICHE WELT ETWAS BELEBEN.’“
LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen zu Fossilienfundstellen
- Die Männer vom Gravetal, Dino Buzzati (1933). Bàrnabo, der Waldhüter eines Munitionsmagazins, begibt sich auf eine existenzielle Reise in die Einsamkeit der Gletscher und Wälder und hat das Gefühl, mit einer unwirklichen Dimension in Berührung zu kommen.
- Die Tartarenwüste, Dino Buzzati (1940). Mehr als in anderen Romanen entwickelt er hier das Thema des Wartens, indem er einen jungen Leutnant namens Drogo in einer Festung die Erfahrung des Wartens machen lässt.
- Achttausend drüber und drunter Hermann Buhl (1954). Biografie des großen österreichischen Bergsteigers Hermann Buhl, der oft in den Dolomiten kletterte.
- Mein Leben am Limit, Hermann Buhl (1954). The autobiography of the great Austrian mountaineer, Hermann Buhl, who often climbed in the Dolomites.
- Der gläserne Horizont: Durch Tibet zum Mount Everest, Reinhold Messner (1983). Der große Bergsteiger erzählt von seinen Unternehmungen und seiner Karriere, die an der Geislergruppe begann und ihn schließlich den Mount Everest bezwingen ließ.
- Eva schläft, Francesca Melandri (2010). Der Roman spielt in Bruneck und schildert die Jahre und Ereignisse nach dem Ersten Weltkrieg, als ein Teil des österreichischen Tirols an Italien abgetreten wurde.
- Der Tod so kalt, Luca D’Andrea (2016). Jeremiah Salinger, ein junger Fernsehautor aus New York, der für eine Weile nach Südtirol gezogen ist, erfährt zufällig von einem viele Jahre zurückliegenden Verbrechen: dem Massaker an drei jungen Menschen während einer Wanderung in der Bletterbachklamm. Salinger beginnt, in der Vergangenheit zu forschen, bis er die erschreckende Wahrheit entdeckt.
- Wir waren unsterblich, Manolo (2018). Maurizio Zanolla, mit Spitznamen „Manolo“ oder „der Magier“ genannt, erzählt von seinem Leben, von seinen ersten Klettertouren, von den Routen, die er sich oft frei und im Alleingang erschloss, von seiner Familie, von seiner Liebe und von den wichtigsten, intensivsten und berührendsten Erfahrungen eines Lebens auf der Suche nach dem inneren Gleichgewicht.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Fiabe e leggende dei Monti Pallidi, Hrsg. Marta Fischer (1992). Geschichten aus mündlicher und schriftlicher Überlieferung, ein gemeinsames Erbe der Volkskultur des Dolomitenraums.
- Storie del Bosco Antico, Mauro Corona (2005). Fantasievolle kurze Geschichten über Tiere und Natur in den Dolomiten
- Südtirol verstehen, Luisa Righi, Stefan Wallisch (2017). Alles, was man über Südtirol wissen muss, von der Geschichte über die Gastronomie bis hin zu den Traditionen, wird hier in einem ironischen Stil beschrieben. Ein lebendiges Buch, das einfache und präzise Antworten auf häufig gestellte Fragen gibt.
- Montagna si scrive stampatello, Davide Longo (2023). Davide und seine Mutter haben ein schwieriges Jahr hinter sich, denn sein Vater hat eine „Tussi“ gefunden. Also machen sie sich selbst ein Geschenk: Mit ihrem Fiat Panda brechen sie zu einer fünftägigen Wanderung in die Dolomiten auf.
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