DIE LANGOBARDEN IN ITALIEN. ORTE DER MACHT (568–774 N. CHR.)
SERIELLES WELTKULTURERBE
Zwei Jahrhunderte Herrschaft der Langobarden stehen für einen historischen und kulturellen Umbruch, der die Kultur, die Institutionen und das Recht maßgeblich beeinflusste. Von Paulus Diaconus, dem Verfasser der Historia Langobardorum, wissen wir, dass im Jahre 568 König Alboin mit den Sachsen einen Pakt schloss, um Italien zu erobern. Die Region Friaul war das Einfallstor nach Italien. Von hier aus eroberten die Langobarden die gesamte Po-Ebene. Sie bemühten sich um einen kulturellen Austausch, sodass sich innerhalb weniger Generationen eine zersplitterte Gruppierung von Familien zu einer Gesellschaft entwickelte, die dem katholischen Glauben angehörte. Das Reich war in zwei Herrschaftsgebiete aufgeteilt, die durch das byzantinische Herrschaftsgebiet zwischen Rom und Ravenna getrennt waren: Im Norden befand sich zwischen den Alpen und der Toskana Langobardia maior; in Unteritalien Langobardia minor, mit Ausnahme von Kalabrien und Sizilien. Zum seriellen UNESCO-Welterbe gehören sieben Orte in Friaul-Julisch Venetien, der Lombardei, Umbrien, Kampanien und Apulien: Cividale del Friuli, Hauptstadt des ersten Herzogtums; Brescia, mit dem Klosterkomplex San Salvatore und Santa Giulia sowie dem archäologischen Park Capitolium; das castrum von Castelseprio mit den Fresken von Santa Maria foris Portas und dem Kloster von Torba; der kleine Tempel des Clitunno in Campello (Perugia); die Basilika San Salvatore in Spoleto; die Kirche Santa Sofia in Benevento; die „langobardischen Krypten“ in der Wallfahrtskirche Santuario di San Michele im Vorgebirge Gargano.
NICHT ZU VERPASSEN
„All diese Gebäude […] sind groß und prächtig, doch von unbeholfener Architektur.“
Giorgio Vasari fällt im 16. Jh. in Vite und im Allgemeinen ein sehr hartes Urteil über „barbarische Kunst“. Dies prägte lange Zeit die Meinung zu den langobardischen Kunstformen, die sich sehr von den klassischen Kunstformen unterschieden und doch Träger neuer Werte waren.
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„Und an deinem glücklichen Ufer
bewahrt ein Tempel von winziger
und zarter Struktur auf dem
sanften Abhang eines Hügels
noch immer die Erinnerung
an dich [des Clitunno]; unter
ihm fließt dein ruhiger Strom,
aus dem oft der waghalsige
Fisch mit seinen glänzenden
Schuppen herausspringt,
der in deinen kristallklaren
Tiefen wohnt und spielt;
während vielleicht irgendeine
verlorene Seerosenblume dort
vorbeischwimmt, wo die seichteste
Flut noch immer ihre gurgelnden
Botschaften wiederholt.“
Childe Harolds Pilgerfahrt, George Byron
Obgleich der Clitunno kein langer Fluss ist,
so inspirierte er doch seit jeher viele Dichter.
Virgil, Propertius, Plinius der Jüngere,
Carducci und viele andere besangen sein
frisches Wasser. In der Antike wurden
dem Fluss wundersame Eigenschaften
zugeschrieben und in der Gegend gab es
einige Heiligtümer, die Schutzgöttern wie
zum Beispiel Jupiter Clitumnus geweiht
waren. Das einzige erhaltene Heiligtum
wurde lange Zeit für ein Bauwerk aus
spätrömischer Zeit gehalten. Es handelt sich
jedoch um eine langobardische Architektur
aus dem 7. – 8. Jh. Dies bezeugen auch das
geschnitzte Kreuz und die Inschrift, die dem
„Heiligen Gott der Engel“ gewidmet ist.
NICHT ZU VERPASSEN
„Das langobardische Volk war dem Götzendienst und der Verehrung wilder Tiere sehr zugetan, denn [...] zu anderen Zeiten verehrten sie auch die Köpfe von Ziegen.“
In den Worten des Stadtphysikus (protomedico) Pietro Piperno, der 1640 die Abhandlung Della superstitiosa Noce di Benevento verfasste, geht die Legende von den berühmten Beneventer Hexen auf die Zeit des Langobardenherzogs Romuald zurück. Das heidnische Volk, das eine goldene Viper anbetete, feierte seine Rituale um einen Walnussbaum, der später vom Heiligen Barbarus entwurzelt werden sollte.
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„Wir treten ein. Wir durchqueren
ein gotisches Kirchenschiff.
Wir dringen ein. Dann sind wir
in die Höhle eingetaucht. Der
Ort ist feucht, und inmitten
der Dunkelheit wird nach
und nach eine goldgepanzerte
Statue enthüllt, umgeben von
flackerndem Kerzenlicht. Es ist
der Engel! [...] Dort bin ich jetzt
ganz in Kontakt mit der rauen
Natur. Höhle: Ort der Herden
und der Engel, also: Ort der
Erscheinungen und Orakel. Aber
vielleicht gab es in diesem Herzen
der Erde auch einen Menschen
vor den Schrecken, der seinem
göttlichen Ursprung nahe war:
ein prophetisches Gespenst seiner
selbst, seiner schmerzhaften
Unzivilisation.“
Die Wüste und weiter, Giuseppe Ungaretti
Die Wallfahrtskirche St. Michael besteht aus
einer natürlichen Grotte, einem Komplex
sich überlagernder Gebäude und einem
Glockenturm aus dem Jahr 1274. Durchquert
man den Innenhof, so steht man vor einem
prächtigen Bronzeportal, das 1076 in
Konstantinopel gegossen wurde und auf
dessen Tafeln biblische Episoden mit Engeln
eingraviert sind. Über das Atrium gelangen
wir in die mystische Grotte des Erzengels, die
dieser dem Bischof von Siponto bei der ersten
Erscheinung als seinen Wohnsitz anwies und
die in der Anjouzeit von einem gotischen
Kirchenschiff überdeckt wurde. Im Inneren
zeigt eine Marmorskulptur aus dem Jahr 1507
den kriegerischen Erzengel, der den Satan
zertritt und dabei ein Schwert schwingt.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
Hör dir alle Episoden anFÜR DIE JÜNGSTEN
„IHRE WEICHEN LOCKEN / AUF DIE MÜDE BRUST WERFEND, / LANGSAM DIE HANDFLÄCHEN, UND GLÜHEND / MIT DES TODES WEISSEM AUSSEHEN, / LIEGT DIE FROMME, MIT ZITTERNDEM / BLICK DEN HIMMEL SUCHEND.“


LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen zur Geschichte der Stätten und der Langobarden.
- Historia Langobardorum, Paulus Diaconus (789). Der Mönch aus Cividale schrieb am Hofe Karls des Großen nach dem Zusammenbruch des Reiches das umfassende Werk Historia Langobardorum. In seinem aus sechs Büchern bestehenden Hauptwerk stellt er die Geschichte der Langobarden von seinen Ursprüngen bis zum Tod von König Luitprand im Jahr 744 dar
- Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, Giorgio Vasari (1550). Die Biografiensammlung italienischer Renaissancekünstler ist ein Buch über Kunstgeschichte und gleichzeitig ein Zeugnis für die geistige Kultur des 16. Jahrhunderts.
- Della superstitiosa Noce di Benevento, Pietro Piperno (1640). In diesem Aufsatz verbindet der Chefarzt die Legende über die Hexen von Benevento mit einem dem Odin geweihten Walnussbaum, um den sich die Longobarden, die sich in Benevento niedergelassen hatten, versammelten
- Childe Harolds Pilgerfahrt, George Gordon Byron (1812–18). Im Gesang IV beschreibt Lord Byron seine Reisen durch Italien und lässt sein Leben mit all seinen Erfahrungen Revue passieren. Hierbei kommen seine Beobachtungen der Gesellschaft und der Geschichte zum Ausdruck.
- Adelchi, Alessandro Manzoni (1822). Berühmt ist der Chor von Manzonis Tragödie, in deren Mittelpunkt die Figur eines langobardischen Prinzen steht, der zusammen mit seiner Schwester Ermengarda, der verstoßenen Ehefrau Karls, die im Kloster San Salvatore in Brescia Zuflucht gefunden hat, hilflos den Untergang des Königreichs miterlebt.
- Die Wüste und weiter, Giuseppe Ungaretti (1961). Zwischen Februar und September des Jahres 1934 besucht Ungaretti im Auftrag der Zeitung Gazzetta del Popolo die Regionen Süd-Italiens. Die Reiseberichte, in denen er auch über die Wallfahrtskirche Santuario di San Michele im Vorgebirge Gargano schreibt, sind in diesem Band veröffentlicht.
- Geschichte der Langobarden, Jörg Jarnut (1982). Diese historische Erzählung des deutschen Historikers ermöglicht einen anderen Blickwinkel auf die Langobarden, der sich von der Lesart der meisten italienischen Autoren unterscheidet.
- Teodolinda. La longobarda, Alberto Magnani, Yolanda Godoy (1998). Die Autoren zeichnen hier ein Bild von der Königin Theudelinde, der Frau von Autari und später Agilulf, die den Konvertierungsprozess ihres Volkes einleitete und Monza zu einer prächtigen Hauptstadt machte.
- Il Longobardo (2004), La vendetta del Longobardo (2005), L’ultimo longobardo (2006), Marco Salvador. Trilogie historischer Romane, geschrieben von einem leidenschaftlichen Erforscher dieser Zeit, gefolgt von Der goldene Thron (2013), der im langobardischen Herrschaftsbereich Langobardia minor spielt.
- 568 d.C. I Longobardi. La grande marcia (2011) und Il re solo, (2012), Sabina Colloredo. In ihrem ersten historischen Abenteuerroman erzählt die Autorin von den langen Vorbereitungen und schließlich dem Marsch, der die Langobarden aus dem fernen Pannonien in unser Land führte. Die Erzählung wir im zweiten Roman fortgesetzt.
- Desiderio, Stefano Gasparri (2019). Der letzte König der Langobarden musste sein Reich Karl dem Großen überlassen, der ihn 774 besiegte. Der Mediävist rekonstruiert die Heldentaten, indem er zu den Orten der Macht reist: Brescia, Pavia, Benevento und Salerno, bevor er in ein französisches Kloster inhaftiert wird.
- I Longobardi. Un popolo alle radici della nostra Storia, Elena Percivaldi (2020). Die Autorin schreibt über die Geschichte der Longobarden, wobei sie den Schwerpunkt auf ihre kulturellen Beiträge in Sprache, Brauchtum, Institutionen und Recht legt.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Bertoldo, Roberto Piumini (2004). Die berühmte Geschichte von Bertoldo, einem rauen, doch listigen Bauern am Hof von König Alboino, wurde 1606 von Giulio Cesare Croce geschrieben. In dieser Fassung stammen die Zeichnungen von Andrea Rivola und die Geschichte wurde von Roberto Piumini für Kinder zwischen vier und elf Jahren neu geschrieben.

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