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DIE NURAGHE VON BARUMINI

icona patrimonio sito UNESCO
WELTKULTURERBE
DOSSIER UNESCO: 833
VERLEIHUNGSSTADT: NEAPEL, ITALIEN
VERLEIHUNGSJAHR: 1997
BEGRÜNDUNG: Die Nuraghen Sardiniens mit dem wichtigsten Beispiel Su Nuraxi sind eine einzigartige Antwort auf die kulturellen und sozialen Fragen der damaligen Zeit. Die prähistorische Inselgemeinschaft setzte dabei auf kreative und innovative Weise die ihr zur Verfügung stehenden Techniken ein.

„Doch wichtiger und bedeutender als alles andere ist
heute die Nuraghe Su Nuraxi di Barùmini-Cagliari,
ein aufgrund einiger neuer
Charakteristika absolut
einzigartiges Monument.“

I nuraghi della Sardegna, Le vie d’Italia, Giovanni Lilliu

1949 entdeckte der aus Sardinien stammende Archäologe Giovanni Lilliu nach einer durch Starkregen verursachten Bodenerosion die archäologische Stätte Su Nuraxi. Zum damaligen Zeitpunkt war es nicht mehr als ein Hügel in der Landschaft Marmilla. Giovanni Lilliu leitete die 6 Jahre andauernden Ausgrabungen und legte den bedeutendsten Nuraghenkomplex Sardiniens frei, der seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. Dank dieser außerordentlichen Entdeckung konnte Licht ins Dunkel der faszinierenden Geschichte der Nuraghen-Kultur gebracht und die Bedeutung selbiger Nuraghen in der Geschichte Sardiniens untermauert werden. Viele Gebäude der Siedlung, zu der auch die am Hang angelegte wabenartige Rundstruktur gehört, gehen auf die Eisenzeit, die ersten Hütten hingegen auf die Bronzezeit (11. – 12. Jh. v. Chr.) zurück und viele der heute noch sichtbaren Ruinen gehen auf die Zeit danach, zwischen dem 6. und 7. Jh. vor Chr., zurück. Der älteste Teil des Komplexes ist der zentrale, ursprünglich 18,6 m hohe und dreistöckige Zentralturm. Etwa 1200 v. Chr. kamen noch weitere vier Türme und eine große Stadtmauer hinzu. Die Verteidigungsmauer entstand schrittweise. Obgleich die Siedlung im 7. Jh. v. Chr. zum Teil zerstört worden war, entwickelte sich die Stätte weiter, da sie ständig – auch in der Zeit der römischen Antike – bewohnt blieb. Sollten die Nuraghen aus einer jahrhundertealten Zivilisation hervorgegangen sein, die sich in geografischer und kultureller Hinsicht auf einer einzigartigen Insel entwickelten, dann fließen in Su Nuraxi di Barumini all diese Besonderheiten zusammen.

NICHT ZU VERPASSEN

„Die Nuraghen sind für Sardinien das, was die Pyramiden für Ägypten und das Kolosseum für Rom sind: Sie sind Zeugnis für eine blühende und in historischer Hinsicht tatkräftige Zivilisation sowie eine Spiritualität, die den äußeren Erscheinungen einen monumentalen und dauerhaften Charakter verlieh. Keine andere Inselarchitektur der Antike sowie späterer Epochen veranschaulicht Macht, Majestät, Solidarität, Anstrengungen in Bauweise und Religiosität wie die Nuraghen.“

Giovanni Lilliu vertrat die Auffassung, dass die Nuraghen unabdingbar zur Landschaft und Kultur Sardiniens gehören: Wer Sardinien besucht, der erkennt, dass die Kraft und die geheimnisvolle Atmosphäre, die von den Nuraghen ausgeht, Ausdruck der sardischen Identität sind. Wir beginnen unsere Tour in der Marmilla, einer Landschaft mit einer hohen Dichte an archäologischen Stätten in Zentral- und Südsardinien und reisen in Richtung Küste mit ihrem wunderschönen Meer, bis nach Sulcis-Iglesiente.
Google Maps
Eine Besichtigung
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Su Nuraxi di Baruminis, die nur im Rahmen einer öffentlichen Führung möglich ist, empfiehlt sich an weniger heißen Tagen. Im Anschluss können die archäologischen Themen im Giovanni Lilliu-Zentrum vertieft werden. Danach besuchen wir den
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Museumskomplex „Casa Zapata“, der eine Reihe von Artefakten aus Nuraghen und eine kleine Sammlung traditioneller Musikinstrumente beherbergt. Von Tuili fahren wir zum Hochplateau
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Giara di Gesturi und nehmen an einer durch einen lokalen Ranger organisierten Exkursion teil: Auf dieser mit mediterraner Macchia und alten Korkeichen bewachsenen Hochebene lebt die letzte Herde wilder Kleinpferde. Nach unserer Exkursion widmen wir uns wieder der Archäologie und fahren auf der süd-östlichen Seite hinunter zum
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Nuraghen Komplex von Genna Maria, einem der wichtigsten Sardiniens. Nach so viel Geschichte und Kultur ist unsere nächste Etappe das Meer. Zwei der schönsten Strände der Insel befinden sich ganz in der Nähe: An der Costa Verde liegt der
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Strand von Piscinas mit einem wunderschönen Meer und hohen Sanddünen. Weiter südlich liegt das Gebiet Iglesiente mit dem
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Strand Cala Domestica. Etwas weiter im Landesinneren können wir die ehemaligen Bergbausiedlungen besichtigen. Wenn wir am
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Tempel von Antas sind, liegen im Norden von
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Iglesias die auf das 3. Jh. n. Chr. zurückgehenden römischen Ruinen dieser bukolischen Stätte. Iglesias ist mit seinen im aragonesischen Stil gebauten Kirchen und Gebäuden ein absolutes Muss. Die Atmosphäre ist in der Karwoche und an Ostern besonders ergreifend.

„Die Nuraghen sind zweifelsohne das am
weitesten verbreitete Merkmal der sardischen
Landschaft, doch nicht einmal die Tatsache,
dass die Nuraghen so häufig sichtbar sind,
schafft es, dem Betrachter ein Gefühl von
Vertrautheit einzuflößen: Was bleibt, ist
der Gedanke, dass es anderswo nichts
Vergleichbares gibt.“

Elf Wege über eine Insel – Sardische Notizen, Michela Murgia

Die Nuraghen bilden auf Sardinien ein regelrecht gegliedertes System an prähistorischen Siedlungen. Außer dem wabenförmigen Komplex von Su Nuraxi gibt es einige weitere bemerkenswerte Komplexe (wie zum Beispiel die 25 m hohe Nuraghe Santu Antine di Torralba im Gebiet um Sassari). Über Jahrhunderte wussten die Sarden nicht, was es mit den Nuraghen auf sich hatte, sodass Hirten sie manchmal sogar als Unterstand benutzten. Dank der in der Archäologie eingesetzten Radiokarbonmethode brachten die Steintürme Licht in das Dunkel der geheimnisvollen Nuraghenkultur: Es handelte sich nämlich um befestigte Siedlungen, die auf die Bronzezeit zurückgehen und nicht nur die Funktion von Wachtürmen erfüllten, sondern wahrscheinlich auch als Kultstätte für die Ausübung religiöser Riten oder als Versammlungsort für Feierlichkeiten oder Handel fungierten. Die Spuren eines Komplexes, der gebaut und bewohnt wurde, eine Identität hatte und eine Funktion erfüllte, und dann zum Symbol einer längst vergangenen und für uns nicht mehr fassbaren Zeit wurde.

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FÜR DIE JÜNGSTEN

„CONTOS DE FUCHILE (KAMINGESCHICHTEN), MIT DIESEM SANFTEN NAMEN, DER DIE RUHE LANGER FAMILIENABENDE AM KAMIN BEZEICHNET; WERDEN BEI UNS FABELN, FABELHAFTE UND WUNDERBARE LEGENDEN GENANNT, DIE IM NEBEL DER EPOCHEN VERSCHWINDEN, DIE SICH VON DER UNSRIGEN UNTERSCHEIDEN. DAS SARDISCHE VOLK IST INSBESONDERE IN DEN WILDEN BERGEN UND DEN ABGELEGENEN HOCHEBENEN MIT IHRER GEHEIMNISVOLLEN LANDSCHAFT [….] SEHR FANTASIEVOLL UND ABERGLÄUBISCH.“
attività per bambini del sito UNESCO nr. 24
Grazia Deledda beschäftigte sich leidenschaftlich mit den sardischen Traditionen und schrieb außerdem Bücher für Kinder und Jugendliche. Wenn sie Fiabe e leggende sarde oder eine Erzählung, wie L’uomo del nuraghe, die durch die sardische Tradition und die beispiellose sardische Landschaft inspiriert wurden, lesen, so können sie sich auf die einzigartige Atmosphäre und die antiken Bilder der Insel einlassen, bevor sie sich an die Entdeckung von Nuraxi di Barumini und deren Umgebung machen.
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Su Nuraxi kann zu jeder Jahreszeit besucht werden. Denkt jedoch daran, dass es im Sommer zu bestimmten Tageszeiten sehr heiß ist. Taucht in die Geheimnisse der sardischen Nuraghenkultur ein, indem Ihr an einer Führung durch die archäologische Stätte und das Giovanni Lilliu Zentrum teilnehmt. Hier könnt Ihr den faszinierenden Beruf des Archäologen kennenlernen und etwas über die Entdeckungsgeschichte der Stätte erfahren. Vertieft Eure „Forschungsarbeiten“ im
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Museumskomplex „Casa Zapata“ in Barumini, das sich in der aus dem 16. Jh. stammenden Residenz der spanischen Herrscherfamilie des Gebiets Marmilla, der Zapata, befindet. Nach dem Lernen kommt das Vergnügen: 1 km vom Dorf Barumini entfernt befindet sich in Tuili der
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Miniaturpark Sardinien, in dem Groß und Klein ein rekonstruiertes nuraghisches Dorf, ein Biosphärengebiet, einen Dinosaurerpark, ein Planetarium und die Insel in Miniatur besichtigen kann. Begebt Euch dann zur nord-westlich von Barumini gelegenen
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Giara di Gesturi, einer wilden Hochebene vulkanischen Ursprungs, wo die sogenannten „sardischen Kleinpferde“ aus einem der zahlreichen flachen Sumpfseen (pauli) in den ersten Morgenstunden oder am späten Nachmittag trinken. Eine Tour durch die Insel ist jedoch ohne den Besuch des Meeres nicht vollständig: An der Costa Verde liegen die Strände
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Torre dei Corsari,
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Scivu und insbesondere der
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Strand von Piscinas, einer der schönsten Strände der Insel, ein breiter Strand mit goldenem Sand und Dünen, die bis zu 60 m hoch werden, zwischen Gebüsch von mediterraner Macchia.
sito UNESCO nr. 24 in Italia
LESEEMPFEHLUNGEN

Buchempfehlungen, um Sardinien und die Nuraghen besser zu verstehen.

  • Nella terra dei nuraghes, Sebastiano Satta, Pompeo Calvia, Luigi Falchi (1893). Sardinien ist der Horizont, der die Verse der drei Poeten einatmet.
  • Nuraghe so, sos seculos isfido, Celestino Caddeo (1902). Verse, die der Dichter Dualchi (Nuoro) den Nuraghen widmete.
  • Das Meer und Sardinien, D.H. Lawrence (1921). Die Beschreibungen in diesem Reisetagebuch zu Sardinien treffen immer noch genau zu.
  • Sardinien: Ein Land der Kindheit, Elio Vittorini (1952). Reisebericht in Sardinien des jungen Vittorini, der von der Insel und den Nuraghen fasziniert ist.
  • I nuraghi della Sardegna, Le vie d’Italia, Giovanni Lilliu (1953). Artikel von grundlegender Bedeutung des Archäologen, der Su Nuraxi „entdeckte“.
  • 18 mal Italien, Guido Piovene (1957). Einzigartige und detaillierte Reportage von den Alpen bis nach Sizilien – über Sardinien und Su Nuraxi, das der Autor mit dem Leiter der Ausgrabungen, Giovanni Lilliu, besucht.
  • Su Nuraxi di Barumini, Giovanni Lilliu, Raimondo Zucca (1988). Eine genaue historische und kulturelle Rekonstruierung.
  • Controstoria dell’architettura in Italia, Bruno Zevi (1995). Der Architekturhistoriker stellt Fragen zur Natur und zur Bedeutung des Nuraghendorfes Su Nuraxi.
  • Passavamo sulla terra leggeri, Sergio Atzeni (1996). Die Geschichte Sardiniens, „Tausende von Jahren der Isolation zwischen Bronzen und Nuraghen“, bis zur Eroberung durch die Aragonesen.
  • Accabadora: tecnologia delle costruzioni nuragiche, Franco Laner (1999). Man beginnt bei der Architektur, um einen neue Interpretation des Ursprungs und der Bedeutung der Nuraghen zu liefern.
  • Opere, Giovanni Lilliu (2008). Alle schriftlichen Beiträge des Archäologen, Hrsg. Alberto Contu.
  • Elf Wege über eine Insel – Sardische Notizen, Michela Murgia (2008). Im Kapitel „Steine, Nuraghen, Mauern, Menhire und Bräute“ schreibt die Autorin über die Bedeutung, die Steine als „wichtigster symbolischer Ort der Erinnerung“ für die Sarden haben.
  • Il sogno dello scorpione, Salvatore Niffoi (2021). Während die Welt einem tödlichen Fieber erliegt, überleben die Hauptfiguren in einer Nuraghe dank der Geschichten, die sie sich erzählen.

Kinder- und Jugendliteratur:

  • Fiabe e leggende sarde, Grazia Deledda (2013). Erzählungen, bei denen es um die sardische Tradition geht.
  • L’uomo del nuraghe, La morte e la vita e altre novelle, Grazia Deledda (2018). Zehn Erzählungen, die in Il Corriere della Sera, La Lettura e Il Giornalino della Domenica zu Beginn des 20. Jhs. veröffentlicht wurden und seither in ihrer Originalform nicht publiziert wurden.
  • La civiltà nuragica per i più piccoli dall’Età del Bronzo all’Età del Ferro, Nicola Dessì (2021). Lustiges und detailliertes Bilderbuch.
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