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SCHLOSS CASERTA AUS DEM 18. JH. MIT PARK, VANVITELLIAQUÄDUKT UND SANLEUCIO-ANLAGE

icona patrimonio sito UNESCO
WELTKULTURERBE
DOSSIER UNESCO: 549
VERLEIHUNGSSTADT: NEAPEL, ITALIEN
VERLEIHUNGSJAHR: 1997
BEGRÜNDUNG: Der Baukomplex von Caserta ist ein sehr gutes Beispiel für die Stadtplanung des 18. Jahrhunderts, die von den Bourbonen nach den vitruvianischen Prinzipien der Solidität, Funktionalität und Schönheit umgesetzt wurde. San Leucio ist eine „ideale Stadt“, die gut in ihr Umfeld eingebettet ist und in der Seide hergestellt wird. Mit dem Karolinischen Aquädukt ist sie ein Zeugnis für die Kunst und das Ingenieurswesen der damaligen Zeit.

„Der Park selbst [...] ist eine makroskopische Fantasie,
in der alles ein wenig größer zu sein scheint, als
es sein sollte. Diese Störung der Vorstellungskraft
nannte der Barock Wunder.“

18 mal Italien, Guido Piovene

Das Schloss Caserta wurde von Karl von Bourbon, König von Neapel, in Auftrag gegeben. Mitte des 18. Jh. wollte dieser Ludwig XIV. mit dessen Palast von Versailles nicht nachstehen. Zudem war er der Meinung, einen noch prächtigeren Palast verdient zu haben. Der Architekt Luigi Vanvitelli wurde mit dem Projekt beauftragt. Für dessen Ausführung benötigte er ein 47.000 m2 großes Gebiet, circa 120 Hektar Park, 1.200 Zimmer, 1.742 Fenster und 34 Treppenrampen, die in diversen Filmen verewigt wurden (darunter Star Wars. Episode I). Um die Brunnen des Parks zu speisen, wurde das Karolinische Aquädukt gebaut. Dieser transportiert noch heute mittels eines 1,20 m x 1,70 m großen, meist unterirdisch verlaufenden Rohres das Wasser über eine Strecke von 38 km aus der Quelle des Taburno in die Provinz Benevento. Auf Geheiß Ferdinands IV. wurde dann 1778 in Caserta die Königliche Kolonie San Leucio gegründet, Prototyp einer idealen Stadt mit einem besonderen Statut, das auf Verdienst, Gleichheit und Respekt beruht.

NICHT ZU VERPASSEN

„Um Caserta das Land völlig eben, die Acker so gleich und klar gearbeitet wie Gartenbeete. Alles mit Pappeln besetzt, an denen sich die Rebe hinaufschlingt, und ungeachtet solcher Beschattung trägt der Boden noch die vollkommenste Frucht. Wenn nun erst das Frühjahr mit Gewalt eintritt!“

Der Dichter Goethe war von der Landschaft von Caserta, die vor Schönheit nur so strotzt, sehr beeindruckt. Ein kleiner Rundgang reicht aus, um einen Eindruck zu bekommen: Ihr werdet Orte besuchen, an denen der Einfallsreichtum des Menschen in Stein gemeißelt ist.
Google Maps
Von Caserta aus fahren wir nach Osten in Richtung
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San Leucio Hier wurde Ende des 18. Jh. eine ideale Gemeinschaft rund um die Seidenindustrie gegründet. Zu ihr gehörten siebzehn Familien mit insgesamt 214 Einwohnern. Jeder Arbeiter hatte das Recht auf ein Haus und eine kostenlose Schulbildung für seine Kinder: Einigen Gelehrten zufolge war dies der erste Versuch eines echten Sozialismus. Die Fabrik kann noch heute besichtigt werden und produziert immer noch edle Stoffe, wie z.B. die Seidenstoffe, die in der ganzen Welt eingesetzt werden, vom Vatikan bis zum Quirinalspalast, den Flaggen des Weißen Hauses sowie des Buckingham Palace. Nach der Besichtigung geht es weiter nach
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Casertavecchia, dem ursprünglichen Kern der Stadt Caserta: im Jahr 861 war Casam Hirtam ein longobardisches „Dorf auf der Höhe“. Das 400 m über dem Meeresspiegel an den Hängen der Tifatini-Berge gelegene Dorf ist ein labyrinthisches Gewirr von Häusern und antiken Palazzi, das vom prächtigen Glockenturm der 1153 eingeweihten Kathedrale im romanischen Stil mit arabischnormannischen Elementen und von den Überresten des Schlosses überragt wird. Von hier aus hat man einen tollen Ausblick. Nun geht es in Richtung SüdOsten nach
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Maddaloni. Das riesige Projekt des Königspalastes von Caserta brauchte Wasser, viel Wasser, nicht nur für die vielen Brunnen, sondern auch für die Versorgung der neuen Stadt. Karl von Bourbon kam auf die Idee, ein neues Aquädukt bauen zu lassen. Auch dieses Aquädukt wurde riesig. Der Karolinischer Aquädukt, der noch immer Wasser aus den Quellen des Taburno in die Provinz Benevento führt, täuscht die meisten, da er wie ein römisches Aquädukt aussieht, jedoch aus dem 18. Jahrhundert (1753–59) stammt. Obwohl ein Großteil davon unterirdisch verläuft, sind die Berge von Longano und Garzano entlang der Straße nach Starza, in der Nähe von Maddaloni, durch 529 m lange Bögen verbunden, die fast 60 m hoch sind: Sie sind von der Straße aus zu sehen und sind sehr beeindruckend. Um das Aquädukt in seiner ganzen Größe zu besichtigen, folgen wir den Hinweisschildern zum
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Santuario di San Michele e Santa Maria del Monte: Hier gibt es einen Parkplatz, von dem aus das Aquädukt in seiner vollen Größe betrachtet werden kann. Es empfiehlt sich, nachmittags zu kommen, sonst sieht man ihn im Gegenlicht.

„Rundherum erstreckt sich der Alte Wald
wie eine kleine Mauer [...]. Der Palast ist weit
weg, er überragt kaum die Baumkronen, doch
Mario spürt seine Anwesenheit hinter sich, wie
immer, seit er hier unten lebt.“

Dove sei stata, Giusi Marchetta

Die Zunge aus Wasser und Grün, die aus dem Königspalast von Caserta herausragt, ist viel länger, als das Auge wahrnimmt. Selbst wenn Sie weit weg sind, werden Sie, wie die Hauptfigur von Dove sei stata, ihre Anwesenheit spüren. Ein halber Tag reicht aus, um das grüne Spektakel vor dem Schloss zu besichtigen, ein durch Vanvitelli entworfenes außergewöhnliches Zusammenspiel von Natur und Kunst. Nach dem Giardino allʼItaliana überqueren wir die Via d‘Acqua, ein langes Wasserbecken mit Brunnen und durch die klassische Mythologie inspirierte Skulpturengruppen. Wenn wir am Cereresbrunnen vorbeigekommen sind, endet der Rundgang am großen Wasserfall, wo am Diana-undAktäon-Brunnen dargestellt wird, wie Aktäon Diana beim Bad überrascht und zur Strafe in einen Hirsch verwandelt wird. Im Englischen Garten weicht die strenge Symmetrie Vanvitellis einer fantasievollen Verflechtung von Wegen, Pflanzen und Wäldern, die der Botaniker John Graefer ab 1786 entwarf. Genießt das Bagno di Venere, den Kryptoportikus und den Schwanensee, insbesondere aber die Ruhe der Natur.

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FÜR DIE JÜNGSTEN

„DIE EINZIGE BEDINGUNG FÜR HAUSMEISTER UND FAMILIEN WIE DIE SEINE WAR [...], FÜR DIE AUGEN DER TOURISTEN UNSICHTBAR ZU SEIN. SIE ALLE, ERWACHSENE UND KINDER, WURDEN NICHT UM RESPEKT GEBETEN, SONDERN UM EINE SYMBIOSE MIT DEM MONUMENT: SIE MUSSTEN SICH ALS TEIL DES WERKS FÜHLEN, MIT DEN BECKEN, STATUEN, BRÜCKEN DER CASTELLUCCIA VERSCHMELZEN.“
attività per bambini del sito UNESCO nr. 19
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ihr, wie Mario, die Hauptfigur im Roman Dove sei stata von Giusi Marchetta den Palast von Caserta, ganz für Euch haben werdet, doch Euer Besuch wird Euch das Bauwerk Vanvitellis, das in der Lage ist, jeden zu begeistern, dennoch sehr nahe bringen. Der Schloss wurde errichtet, da ein König so stolz war, dass er ein Schloss haben wollte, das das Schloss von Versailles übertraf. Beim Eintritt in das Schloss kommt Ihr zur
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Ehrentreppe wo Musiker anlässlich des Empfangs der königlichen Familie Konzerte spielten. Die Dekoration des Saals entspricht einen kleinen Handbuch der Symbolik: Die Statuen der beiden Löwen stehen für die Kraft der Vernunft im Gegensatz zu der der Waffen, während die drei Skulpturen im Hintergrund an königliche Majestät, Verdienst und Wahrheit erinnern, die drei Tugenden, die jedem sich selbst respektierenden Herrscher zustehen. Nach den beiden Treppen kommt Ihr in den ersten Stock. Ihr geht durch das
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Obere Vestibül, in dem, wie unten, Gänge des Hauptgeschosses zusammenlaufen. Es ist von 24 ionischen Säulen umgeben und öffnet sich nach Osten hin zur
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Cappella Palatina die einen rechteckigen Grundriss hat und von einer halbrunden Apsis überragt wird. Gleich links kommen die Wohnungen. Sie beginnen mit den Vorzimmern, die den Hellebardieren und Leibwächtern vorbehalten waren, dann folgt ein Raum, der einem Großen aus der Vergangenheit gewidmet ist. Es handelt sich um den
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Alexandersaal, der aufgrund des Gemäldes von Mariano Rossi, das die Hochzeit zwischen Alexander dem Großen und Rossana zeigt, „der Küssende“ genannt wird. Weiter links beginnen die
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VierJahreszeiten-Säle (der Empfangssaal, der Salon, der Speisesaal und das Fumoir). Versucht, die Fresken den Jahreszeiten zuzuordnen. Es geht weiter und Ihr kommt in kleine Ateliers und große dekorierte Schlafzimmer, die im neoklassizistischen Stil eingerichtet und mit Zeichnungen der Palasträume übersät sind (verwendet die LP-Karte als Referenz, auf Google gibt es keine Fresken). Hinter der Ecke des Gebäudes befindet sich die
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Biblioteca Palatina mit zwei Lesesälen und drei Beratungsräumen sowie Tausenden von Texten und verschiedenen Globen, die auf dem Boden verstreut sind. Sucht auf der anderen Seite den
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Thronsaal, den größten Saal von allen. Große und Kleine werden beim Anblick der Decke, der Wände und Fußböden, die alle mit prächtigen Goldornamenten verziert sind, aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Bevor Ihr durch die
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Königlichen Gärten schlendert, legt im Schlosscafé eine Pause ein.
sito UNESCO nr. 19 in Italia
LESEEMPFEHLUNGEN

Buchempfehlungen, um das Schloss Caserta, die San-Leucio-Anlage und das Karolinische Aquädukt zu entdecken.

  • Italienische Reise, Johann Wolfgang von Goethe (1816–17). Der faszinierende Bericht über die Grand Tour, die Goethe zwischen 1786 und 1788 unternahm, gibt Einblick in Kunst, Kultur und die Schönheit Italiens.
  • 18 mal Italien, Guido Piovene (1957). Piovene bereiste das Bel Paese drei Jahre und schrieb dann diese einzigartige und detaillierte Reportage, die als Klassiker der italienischen Reiseliteratur gilt. Von den Alpen über das Schloss Caserta bis nach Sizilien lädt uns der Autor ein, die Wunderwerke Italiens zu entdecken.
  • Dove sei stata, Giusi Marchetta (2019). In diesem Roman geht es um Mario, den Sohn des Parkwächters des Schlosses von Caserta, der nach vielen Jahren an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Hier kommen seine Erinnerungen wieder, insbesondere an seine Mutter Anna, die ohne Erklärungen wegging. Gerade in diesem Park sucht die Hauptfigur nach Antoworten
  • San Leucio. La dimora più amata da Ferdinando di Borbone, Vega de Martini (2020). Der Traum Ferdinands, aus San Leucio eine ideale Stadt zu machen, blieb eine nicht verwirklichte Utopie. Ein unerlässlicher Aufsatz für all diejenigen, die ihr Wissen hierüber vertiefen möchten.
  • Anständige Mädchen, Olga Campofreda (2023). Nachdem sie dem Leben der Vergangenheit und dem starren Rollenspiel des Provinzlebens entfloh, entscheidet sich Clara für die Anonymität einer Großstadt – London. Sie kehrt erst anlässlich der Hochzeit ihres Cousins nach Caserta zurück, wo das Leben, dem sie den Rücken kehrte, und das mysteriöse Verschwinden der Braut auf sie wartet.

Kinder- und Jugendliteratur:

  • GUL: il cuore delle cose, Maicol & Mirco (2020). Eine bissige ComicGeschichte von Maicol & Mirco, die direkt im Königspalast von Caserta spielt.
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