TRULLI VON ALBEROBELLO
WELTKULTURERBE
Laut Überlieferung entstand die Stadt Alberobello aus rein steuerlichen Gründen. Wir schreiben noch das von Feudalherrschaft geprägte 17. Jh. In der Gegend herrscht der gefürchtete Giangirolamo II. Acquaviva dʼAragona, Graf Conversano, der nicht allzu liebevoll „il Guercio di Puglia“ („der Schielende von Apulien“) genannt wird. Um die Abgaben an die spanische Krone nicht zahlen zu müssen, hatte der Graf eine Idee: Im Falle einer Inspektion durch die Abgesandten des Königs konnten die Bauern, die sich in seinem Lehen, bekannt als Sylva aut Nemus Arboris Belli, niedergelassen hatten, ihren Trullo „abbauen“ und sich zerstreuen, um zu beweisen, dass es sich nicht um eine zivile Behausung handelte. Natürlich handelte es sich nicht um seine eigene architektonische Erfindung: Das Dach des Trullos (der Begriff leitet sich vom spätgriechischen Wort „Kuppel“ ab) ist eine im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus bis nach Kleinasien und die europäischen Länder an der Atlantikküste verbreitete Bauart. Die verschiedenen Kalksteinreihen, hier chianche genannt – ein preiswertes und leicht verfügbares Material – werden in getrocknetem Zustand in konzentrischen Kreisen mit nach oben hin abnehmendem Durchmesser übereinander angeordnet. Geht man durch die engen Gassen, die sich durch die beiden historischen Viertel von Alberobello schlängeln, ist man jedes Mal aufs Neue über diese reinen, eindrucksvollen und rätselhaften Rundhäuser erstaunt.
NICHT ZU VERPASSEN
„Als ich Alberobello zum ersten Mal sah, war ich atemlos: Ich dachte nicht, dass es ein phantasievolleres Land auf der Welt geben könnte, vielleicht in Marco Polos China oder an einem abgelegenen Ort in Asien. Später sollte ich feststellen, dass nichts auf der Welt Alberobello so ähnlich ist wie Göreme in Kappadokien. In Göreme sind aber die Trulli rosa Steintüten, Pfirsicheis-Tüten, Disneyland-Tüten.“
Cesare Brandis Beschreibung von Alberobello in seinem Werk Pellegrino di Puglia stammt aus dem Jahr 1960, scheint aber auch heute noch aktuell zu sein.
Google Maps
„Es sind winzige runde Hütten,
mit einem spitzen Kegeldach,
in das nur ein Volk kleiner
Männchen hineinzukommen
scheint, jede mit einem kleinen
Schornstein und einem kleinen
Puppenfenster, und mit jenem
komischen Verputz oben auf
dem Kegel, der die Koketterie der
Sauberkeit ist und den Eindruck
einer Nachtmütze auf dem Scheitel
eines Clowns erweckt, mit sogar
[...] einem Kreuz oder einem Stern
auf der mit Kalk bemalten Stirn!
Aber was befindet sich auf der
Spitze eines jeden Trullo? Etwas
wie zwei Trichter ineinander, mit
der Spitze nach unten, oder wie
ein Trichter mit einer Kugel oben
drauf, nur so zum Spaß...“
Un popolo di formiche, Tommaso Fiore
Die Architektur der Trulli ist einfach und
gleichzeitig genial. Die Zinnen auf den
Dachspitzen und die auf den Dächern
gemalten Symbole üben eine starke
Faszination aus. Erstere haben die Form
einer Scheibe, einer Pyramide oder einer
Kugel, bei letzteren handelt es sich um
primitive heidnische, magische oder
christliche Symbole. Beide haben schützende
oder versöhnende Funktionen.
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Die italienischen UNESCO-Welterbestätten erzählen ihre Geschichte durch die Worte großer Schriftsteller, die ihre Geschichte und Schönheit gefeiert haben
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„SIE BERÜHRTEN FAST DIE WOLKEN. SELBST DIESE DÄCHER, WIE DIE HÄUSER, WIE DIE MAUERN, WAREN EINFACH AUS STEIN AUF STEIN GEMACHT, TROCKENER STEIN NEBEN TROCKENEM STEIN. DANN DACHTE ER AN EINIGE BILDER IN DEN BÜCHERN, ALS DIE MENSCHEN TEMPEL MIT GROSSEN STEINBLÖCKEN ERRICHTETEN, UM MIT DEN STERNEN ZU SPRECHEN. LANGE ZEIT WUNDERTE ER SICH ÜBER DIESES WUNDER […]. VIELLEICHT WAR ES DIE MAGIE DES WINDES, DIE DIE STEINE ZUSAMMENHIELT.“


LESEEMPFEHLUNGEN
Buchempfehlungen, um die Trulli und deren Geschichte zu entdecken.
- La valle dei trulli, Mimmo Castellano (1959). Kleines und interessantes Buch mit Texten u.a. des Dichters aus Lukanien, Leonardo Sinisgalli, und mit schönen, historischen Fotos.
- Pellegrino di Puglia, Cesare Brandi (1960). Es handelt sich um eine künstlerische und literarische Reportage, die zahlreiche Orte und auch die Trulli beschreibt. Der Kunstkritiker und Historiker weist nicht nur auf deren Zauber hin, sondern auch auf deren übereilte Modernisierung, und empfiehlt, dieser Einhalt zu gebieten…
- Un popolo di formiche, Tommaso Fiore (1978). Dies ist eine soziologische und sentimentale Reise durch Apulien zur Zeit des Faschismus. Fiore vergleicht seine Landsleute mit einem „Volk von Ameisen“, das im Laufe der Jahrhunderte so viel Steine ausgehoben und aneinandergereiht hat, dass dies zu seinem Merkmal geworden ist.
- I misteriosi simboli dei trulli, Maria Letizia Troccoli Verardi (1989). Es ist unmöglich, sich den zahlreichen Symbolen zu entziehen, die auf die kegelförmigen Dächer der Trulli von Alberobello und der Murge gemalt sind. Sie sind nicht rein dekorativ, sondern haben stets eine religiöse und apotropäische Bedeutung.
- La cultura del trullo, Carla Speciale Giorgi, Paolo Speciale (1989). Die Trulli werden von Archäologen, Architekten, Historikern und Anthropologen, insbesondere aber von vielen Dichtern und Reisenden analysiert, die im Laufe der Jahrhunderte auf diese einzigartigen Bauwerke gestoßen sind.
- I trulli di Alberobello. Un secolo di tutela e di turismo, Annunziata Berrino (2012). Von der „Entdeckung“ der Trulli in der zweiten Hälfte des 19. Jh. bis zum Jahr 1910, als die Trulli unter staatlichen Schutz gestellt wurden; von der Aufnahme in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes bis hin zum Aufkommen des Tourismus und den neuen Perspektiven für den Schutz der Trulli, deren Restaurierung und deren nachhaltigen Nutzung.
Kinder- und Jugendliteratur:
- Giravento ad Alberobello, Biagio Lieti (2010). Mit Illustrationen von Fiammetta D’Aversa handelt es sich um ein wunderschönes Bilderbuch (ab 6 Jahren). Die Hauptfigur ist Giravento, ein Mann, der staunen kann wie ein Kind – und das umso mehr in diesem magischen Land der riesigen Feenhüte.
- My mini Puglia, William Dello Russo (2015). Von Bari bis Lecce, von Gargano bis Taranto – ein Bilderbuch zum Schmökern, mit herrlichen Illustrationen von Camilla Pintonato, für eine abenteuerliche Entdeckungsreise durch die Region der Trulli, Schlösser und der beiden Meere, die die Region umspülen.
- Trulli Tales – Die Abenteuer von Trullalleri, (2017). Reihe mit vier Pappbilderbüchern für die Kleinsten. Im Königreich Trullolandia wurden die vier besonderen Freunde Ring, Zip, Stella und Sun auserwählt, die Zauberköche des Dorfes zu werden und das magische Buch von Nonnatrulla vor den Angriffen des stümperhaften Copperpot und seiner Handlangerin Athenina zu verteidigen.

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